Dopingsucks.at

has been moved to new address

http://www.dopingsucks.at

Sorry for inconvenience...

DOPINGsucks.at: Holdhaus wehrt sich gegen Vorwürfe von Kohl

29.05.2009

Holdhaus wehrt sich gegen Vorwürfe von Kohl

Leistungsdiagnostiker Professor Holdhaus wehrt sich in einem ORF-Interview gegen die Vorwürfe von Bernhard Kohl, dass Spitzensport ohne Doping nicht möglich sei:

"Mit Doping aufgewachsen"

Unwirksame Dopingtests, Pauschalverdacht gegen den Spitzensport: Der Rundumschlag von Dopingsünder Bernhard Kohl, der am Montag auch seinen endgültigen Abschied vom Sport verkündet hat, erhitzt die Gemüter.
Selbst Professor Hans Holdhaus, Österreichs international renommiertester Anti-Doping-Experte, geriet in Rage. Im ORF.at-Interview rückt er Kohls Aussagen ins rechte Licht und erklärt, warum Spitzensport auch ohne Doping möglich ist.

ORF.at: Herr Holdhaus, Bernhard Kohls Aussagen warfen die Frage auf: Wie wirksam sind Dopingtests?

Holdhaus: Heutzutage wird mit geringen Dosen gedopt, was bedeutet, dass der Nachweis nur zeitlich beschränkt möglich ist. Das führte letzlich auch zum berühmten Begriff "Intelligent Testing", den es davor nicht gab. Früher spuckte ein Computer irgendwas aus, und der Sportler konnte sich in Zusammenhang mit Wettkämpfen genau ausrechnen, wann eine Kontrolle sinnvoll wäre und passieren könnte, und seine Dosierung entsprechend reduzieren. Das kann er nun nicht mehr.

ORF.at: Der Überraschungseffekt zählt ...

Holdhaus: Es wird ganz genau überlegt, wann getestet wird, um somit auch jene Leute zu erwischen, die nur kurz, also gezielt und vorübergehend Dopingmittel einsetzen. Klar ist aber auch, dass lückenlose, flächendeckende Kontrollen unmöglich sind. Die kann sich niemand leisten, gingen auch gar nicht. Und so wird es immer wieder Sportler geben, die durch das System rutschen.

ORF.at: Können Sie ein Beispiel für die Wirksamkeit von intelligenten Tests anführen?

Holdhaus: Ich verweise nur auf jenes österreichische Radteam, das in Kroatien gestestet wurde. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Das ist intelligent. Nach dem ersten Test fühlten sie sich sicher, glaubten, sie hätten ihre Ruhe, am nächsten Tag wurden sie erwischt. Gut überlegte Kontrollen sind effizient und treffsicher.

ORF.at: Kohl ist laut eigener Aussage bei 200 Tests 198-mal durchgerutscht. Wie ist das zu erklären?

Holdhaus: Was er behauptet, ärgert mich maßlos. Seine Formulierungen sind überzogen, aber das passt ins Bild überführter Sportler: Systeme grundsätzlich infrage stellen und andere Athleten eintunken. Es ist definitiv nicht so, dass man, wie Kohl glaubt, sowieso chancenlos ist, jemanden zu überführen. Er ist ein gutes Beispiel dafür.

ORF.at: Was bedeutet, dass, wenn ein dopender Sportler getestet wird, er auch des Dopings überführt wird?

Holdhaus: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, es sei denn, er hatte Riesenglück. Auch das ist möglich.

ORF.at: Laut Kohl dopt im Spitzensport jeder.

Holdhaus: So etwas zu behaupten ist eine Frechheit. Ein Pauschalverdacht, der mir Schmerzen bereitet und den ich so nicht akzeptieren kann. Genauso könnte ich behaupten: Jeder Lehrer ist pädophil. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, aber es ist schon verdächtig, wenn sich ein Erwachsener so gern mit kleinen Kindern beschäftigt ... Und jetzt?

ORF.at: ... müssen sich Sportler, die ehrliche Erfolge feiern, dafür rechtfertigen.

Holdhaus: Paradox daran: Kein Mensch spricht darüber, ob Popsänger, Manager oder Kraftfahrer Mittel einnehmen, um munter oder sonst was zu bleiben. Dabei ist der Sport das einzige Segment unserer Gesellschaft, das den gewollten Missbrauch von Medikamten bekämpft. Dafür wird er noch geprügelt. Der Sport ist Vorreiter und wird dafür noch gehaut.

ORF.at: Naiv gefragt: Wird im Radsport mehr gedopt als in anderen Sportarten?

Holdhaus: Es geht um eine Generation, die mit Doping aufgewachsen ist. Die gab es im Gewichtheben, dann in der Leichtathletik, nun im Radsport. Eine Generation, die sich Sport ohne Doping nicht vorstellen kann. Diese Zeit endet, wenn die folgende Generation draufkommt, dass das Risiko, erwischt zu werden, groß ist, der Aufwand für nichts gewesen wäre und die finanziellen Zukunftsaussichten mit einem Schlag vorbei sein könnten. Das führt zu einem Umdenken.

ORF.at: Auch im Radsport?

Holdhaus: Derzeit findet ein massiver Reiningungsprozess statt, wie es ihn eben auch im Gewichtheben und in der Leichtathletik gab. Was nicht heißt, dass es in diesen Sportarten keine Dopingfälle mehr gibt. Aber es gibt keine Generation mehr, die flächendeckend dopt. Das ist vorbei. Und das Gleiche wird im Radsport passieren.

ORF.at: Kohl gehörte mit seinen 27 Jahren demnach zur alten Generation.

Holdhaus: Ja. Diese Generation ist damit aufgewachsen. Wenn man Kohl fragt, ob er glaubt, diese Leistung auch ohne Doping erbringen zu können, wird er hundertprozentig Nein sagen. Der glaubt das wirklich - weil er im System aufgewachsen ist, wie viele andere arrivierte Fahrer. Dieses System bricht nun zum Glück zusammen. Darum bin ich optimistisch, dass die folgende Generation dieses Thema sensibler betrachten und weniger dopen wird.

ORF.at: Um bei Kohl zu bleiben: Kann ein Spitzensportler ohne Doping noch gewinnen?

Holdhaus: Definitiv. Auch die Tour de France. Das sage ich aus vollster Überzeugung. Problem ist, das die Leistungen der Topathleten von heute für den Laien nicht nachvollziehbar sind. Jemand, der dreimal pro Woche ins Fitnessstudio geht oder ein bisschen Rad fahren, lebt in einer komplett anderen Welt als Spitzensportler mit all den flankierenden Maßnahmen. Spitzensport ist eine eigene Welt geworden, in die wenige Leute Einblick haben. Deshalb verstehen sie diese Leistungen nicht.

ORF.at: Hat Doping ein Ablaufdatum?

Holdhaus: Doper wird es immer geben. Trotz der Regeln und Gesetze, mit oder ohne strafrechtliche Folgen. Genauso wie Mörder und Diebe. Das ist ein Problem der Gesellschaft, in der wir leben. Aber ich bin guter Dinge, weil im Bereich der Information und Aufklärung viel geschieht. Doping ist heute weit negativer besetzt als früher, als es noch ein Gentlemen-Delikt war. Aber den Moment, in dem niemand mehr dopt, wird es nie geben. Das schließe ich aus.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at

Labels: ,

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite